#Architektur. Gemeinsam. Gestalten: Die Architektur Gilde - Fach & IT-Architektur neu denken

Allianz Deutschland | München | Februar 2022

Lesedauer ca. 7 min

Vor zwei Jahren hat die Allianz Deutschland ihr Programm Agile@Scale gestartet mit keinem geringeren Ziel vor Augen, die gesamte IT und Business IT Bereiche in ein neues agiles Setup zu transformieren. Dabei sollte die Umgestaltung keinem festen Framework-Ansatz folgen. Die Allianz hatte sich vorgenommen, die Transformation eigenständig durchzuführen, indem vorhandene Ideen aufgegriffen, angepasst und weiterentwickelt werden.

Zum Start befindet sich die IT zu 40% in einem agilen Setup, in welchem die cross-funktionalen Teams, in Tribes zusammengefasst, daran arbeiten, Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Im Folgenden wird genauer auf die Idee hinter und die Entstehung der Gilde eingegangen:

Können wir die Fach & IT- Architektur inkl. Governance & Compliance neu denken?

Die Allianz Deutschland unterliegt den versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorgaben der BaFin, daher wurden diverse Gremien mit dem Ziel etabliert, die Projekte auf die Einhaltung dieser Governance-Vorgaben zu prüfen, ggf. Änderungen zu beauftragen und diese dann freizugeben. Doch leider sind diese den geänderten Tempo der Projekte nicht gewachsen. Aktuelle Konzepte sind morgen vielleicht nicht mehr relevant, angepasst oder durch das Lernen mit dem Kunden so nicht mehr notwendig. Somit musste sich auch die Architektur-Governance anpassen und diesen Vorgaben gerecht werden. Geboren war die Architektur Gilde, eine Community of Practice plus. Die zwei grundlegenden Unterschiede liegen darin, dass die Gilde eine Governance-Eigenverantwortung für die Architektur hat und die Mitgliedschaft darin für alle Architekt:innen verpflichtend ist.

Warum eigentlich Architektur “Gilde”?

Die Idee der Architektur Gilde lehnt sich an den Kaufmannsgilden und Handwerkszünften des späten Mittelalters an. Diese waren ein Zusammenschluss von Menschen einer Berufsgruppe, die gemeinsam ihre Interessen vertreten, ihr Handwerk weiter verbessern, ihr Wissen austauschen und sich gegenseitig Schutz bieten wollten.

Die Architektur Gilde übernimmt diesen Gedanken und treibt ihn noch weiter voran. Mitglieder der Gilde sind alle IT- und Facharchitekt:innen der Allianz Deutschland, inkl. der Enterprise Architecture, sowie einige interessierte Dritte.

Im Fokus der Gilde steht das „Enablement“ der Community mit dem Ziel, gemeinsam eine gute, Richtlinien-konforme Architekturarbeit zu gestalten. Gegenseitiges Befähigen, Beratung und Unterstützung bei der Anpassung oder Neugestaltung von Richtlinien, genauso wie die Entwicklung neuer Lösungen - dafür steht die Gilde.

Neben dem Enablement spielt Transparenz eine wichtige Rolle für die Gilde. Denn alle Mitglieder der Gilde sollen jederzeit über die Arbeit der Architekt:innen informiert sein. Dazu sind alle Formate öffentlich zugänglich und jeder angehalten mitzuwirken, damit unsere „Werke“ immer besser werden.

Wie verhindern wir den Elfenbeinturm im neuen Gewand? Lean Governance in der Allianz Deutschland

Die Idee hinter Lean Governance ist einfach:

  • Entscheidungen sollen möglichst autonom im Team getroffen werden, indem die Architektur Governance den Teams einen klaren Spielraum
          ermöglicht.
  • Gut verständliche Prinzipien sollen den Lösungsraum klar abgrenzen
  • Prinzipien werden durch Richtlinien weiter eingegrenzt
  • Gildenentscheidungen werden gemeinsam getroffen
  • Die Lean Governance ist eine partizipative Form der Governance

 

Naja, aber wie arbeitet die Gilde denn nun ganz praktisch?

Das Round Table Meeting:

Wöchentlich kommen Enterprise, Lead & Solution Architekt:innen und geladene Gäste zusammen, um der Idee der Gilde Leben einzuhauchen. Auf der Agenda steht der Blick auf das gemeinsame Backlog der Gilde: “Woran arbeiten wir gerade gemeinsam? Welche neuen Anfragen an die Gilde gibt es? Welche Themen stehen für das letzte bestehende Architekturgremium der Allianz Deutschland auf der Agenda?”

Danach geht es im Wechsel entweder in die Vorstellung der Etappenplanung eines Tribes oder in eines der Vertiefungsthemen: “Micro, Macro, Mono – Wie schneide ich Services?“ Oder vielleicht doch etwas Akuteres? Wie wäre es mit den Prinzipien und Regeln für ein partizipatives Code Repository für ein globales Asset? Oder die Verabschiedung einer neuen Richtlinie, damit neue Cloud-Angebote genutzt werden können? Der Round Table ist das Drehkreuz für den Informationsaustausch, der Lean Governance und natürlich auch immer wieder ein Forum für Transparenz.

Die Zirkel:

Arbeiten in Tribes kann auch neue Silos schaffen, wenn wir nicht einen Weg finden, miteinander zu reden und unsere Ziele und Probleme zu koordinieren. Hier kommen die Zirkel als ganz praktische Werkstatt der Gilde ins Spiel. Darin wird an ganz konkreten Problemen und Themenstellungen gearbeitet. Wichtig: Es kommen diejenigen zusammen, die ein Thema besprechen, etwas beitragen oder sich weiterbilden möchten. Es besteht ein bunter Mix aus Enterprise, Lead & Solution Architekt:innen und auch die ein oder andere Product Owner:in und Lead Developer:in wird immer wieder gesichtet.

Die Domänen-Zirkel sind ein Forum für Tribes, die an einer bestimmten Domäne arbeiten. Hier besteht ein hoher Koordinationsaufwand und wir schaffen den Rahmen dafür.

Zu domänenspezifisch? Kein Problem, in den Themen-Zirkeln kommen die übergreifenden Themen in die Werkstatt. Wie wäre es z.B. mit Cloud-Architektur, Datenarchitektur oder doch eher Integrationsarchitektur? Letzterer ist ein Zirkel der bekannt dafür ist, von strategischen Grundsatzfragen bis hin zur letzten API-Definition alle Flughöhen zu behandeln, gerne auch mal in einem Meeting. Enterprise Architecture verliert hier sehr schnell ihren Elfenbeinturmcharakter, wenn die Themen gemeinsam entwickelt werden mit denen, die es am Ende auch leben sollen.
 

Heute arbeitet unsere IT zu etwa 80% in einem Agilen Setup und die Gilde ist dabei nicht mehr weg zu denken.

  • Welche Rollen gibt es in der Gilde?

    Wie sich an dem Bild erkennen lässt, gibt es verschiedene Rollen innerhalb der Gilde. Jeder Tribe hat dabei eine Lead Architekt:in, welche vom Tribe nominiert wurde und den Tribe innerhalb der Gilde mit seiner/ihrer Stimme vertritt. Die Architekt:in nimmt hierzu die Rolle des Multiplikators ein, was bedeutet, dass sie zum einen Informationen und Anfragen aus dem Tribe bearbeitet und diese an die Gilde weiterleitet, zum anderen gibt sie relevante Informationen aus der Gilde an das Tribe weiter.

    Neben der Lead Architekt:in nimmt die Solution Architekt:in eine wichtige Rolle ein, indem Sie das Thema Architektur im Team vertritt. Dabei trägt sie die Themen in das Team, unterstützt als Expert:in das Team und achtet darauf, dass sich das Team innerhalb seiner Zielbebauung bewegt. Des Weiteren befinden sich die Solution Architekt:innen im regelmäßigen Austausch mit den Lead Architekt:innen, um den Tribe in eine gemeinsame Richtung weiter zu entwickeln.

    Die Enterprise Archtecture ist natürlich ebenfalls Teil der Gilde und arbeitet gemeinsam mit den Mitgliedern.